15. Oktober 2023
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Entwicklung & Trends von QoS und QoE

Internationale Experten trafen sich zur zweiten diesjährigen ITU-T Study Group 12-Sitzung, um weiter an der Entwicklung globaler Standards zu arbeiten - ein Resumee.

Globale Standardisierung von Servicequalität und Erlebnisqualität (QoS und QoE) in der Mobilfunkmessung

 

Vom 19. bis 28. September fand in Mexiko City die zweite Sitzung der ITU-T Study Group 12 (kurz: SG12) in diesem Jahr statt. Die ITU-T Study Group 12 ist Teil der International Telecommunication Union (ITU) und dort die Gruppe, die für die Entwicklung internationaler Normen (ITU-T-Recommendations) zu Leistung, Dienstqualität (Quality of Service = QoS) und Erlebnisqualität (Quality of Experience = QoE) in der Telekommunikation zuständig ist.

 

Experten aus der ganzen Welt trafen sich, um internationale Standards im Bereich QoS und Metriken, Methoden und bewährte Verfahren für die Telekommunikation zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Dies umfasst „traditionelle“ Arbeiten zu Audio-, Video- und Multimedia-Themen, einschließlich AR und VR, aber auch neue Technologien wie KI-gestützte Technologien.

 

NET CHECK und Focus Infocom, das seit 2022 zu NET CHECK gehört, sind in diesem Bereich der internationalen Standardisierung – sowohl auf ETSI– als auch auf ITU-T SG12-Ebene – seit vielen Jahren aktiv. Dr. Wolfgang Balzer, Director of Innovation, Testing Specification and Mobile Standards bei NET CHECK, leitet als “Rapporteur” zwei der Unter-Arbeitsgruppen (“Questions”) der SG12.

Worin liegt die Bedeutung der SG12-Sitzungen?

W. Balzer: Der Meinungs- und Erfahrungsaustausch mit Kollegen aus aller Welt leistet einen wichtigen Beitrag zur ständigen Weiterentwicklung von internationalen Normen und eröffnet natürlich auch die Möglichkeit, den eigenen Sektor mitzugestalten.

 

Sicher es ein gewisser Aufwand, sich an der internationalen Standardisierung zu beteiligen.  Man bekommt aber eine Menge zurück: Es steigert die Qualität der eigenen Arbeit, verhindert, in zweitbesten Lösungen mit methodischen Schwächen steckenzubleiben, und erweitert somit  den fachlichen Horizont und die Fachkompetenz. Das kommt der gesamten Firma und damit auch den Kunden zugute.

Dr. Wolfgang Balzer (rechts) bei einem Meeting der Arbeitsgruppe ITU-T SG 12. Copyright: ITU

An welchen Themen haben Sie mit NET CHECK bzw. Focus Infocom mitgewirkt?

W. Balzer: Einige Beispiele für in Kraft befindliche ITU-T-Standards (“Recommendations”), die wir initiiert und maßgeblich gestaltet haben, sind G.1034 Quality of experience metrics for mobile telephony communication during rail travel; G.1023, Framework for capacity assessment of packet data services in mobile networks; Y.1545.2, QoS metrics for continuity-of-performance of packet data based services.

 

Details dazu:  Bei der ITU-T Recommendation G.1034 geht es um Mobilfunkqualität während Zugreisen. Hier wurde erstmals eine Metrik, also Leistungsindikatoren, und die zugehörige Messmethodik definiert, um in einer ganzheitlichen Betrachtung die Fähigkeit eines Mobilfunknetzes zu messen, auf einer bestimmten Reiseroute störungs- und unterbrechungsfreies Telefonieren zu gewährleisten.

 

Die ITU-T Recommendation G.1023 definiert einen gemeinsamen Begriffsrahmen und konkrete Handlungsanweisungen für verschiedene Methoden, um die Kapazität – also die Gesamt-Leistungsfähigkeit, nicht nur die Qualität aus Sicht eines einzelnen Nutzers – eines Mobilfunknetzes zu bestimmen.

 

Die ITU-T Recommendation Y.1545.2 befasst sich mit der Qualitätsbewertung verschiedener Arten der mobilen Internetnutzung bei schwankender Leistung des Mobilfunknetzes und definiert entsprechende Performance-Indikatoren, mit denen sich Mobilfunknetze vergleichen lassen. Ein anschauliches Beispiel wäre, dass Videostreaming – weil hier Daten für einige Sekunden Wiedergabe vorab gespeichert werden – auch bei gelegentlichen “Funklöchern” noch einigermaßen funktioniert, während interaktive Anwendungen wie etwa Videokonferenzen hier schon starke Störungen zeigen können.

 

Diese Standards sind auch gute Beispiele dafür, wie langjährige praktische Erfahrung und Fachwissen in etwas umgesetzt werden, von dem Anwender in den verschiedensten Bereichen profitieren können.

Was waren die Ergebnisse der letzten Sitzung aus Ihrer Sicht?

W. Balzer: Wir konnten die Verabschiedung von zwei weiteren Standardisierungs-Dokuments erreichen.

 

Beim “Technical Report” ESTR-NUI („RF level based single-number indicator for mobile network usefulness for a given range of applications“) geht es um Methoden, wie aus leicht zu messenden Mobilfunk-Pegeldaten Qualitätsvorhersagen für eine ganze Reihe von konkreten Arten der Mobilfunknutzung gewonnen werden können.

 

Das Supplement 30 zur P-Serie befasst sich mit der Automatisierung von Tests für “Digital Financial Services” (DFS), also um den direkten Geldtransfer von Handy zu Handy oder zwischen Handys und Firmen – oder Händlerkonten; diese Dienste sind vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern weit verbreitet und steht auch im Kontext weltweiter UNO-Entwicklungsziele (“banking for the unbanked”).

 

Neben der Arbeit an konkreten Standards habe ich derzeit in zwei thematischen Arbeitsgruppen (“Questions”) die Rolle eines “Rapporteurs”, also des Leiters der jeweiligen Arbeitsgruppe, in der entsprechende thematische Arbeit gebündelt ist.

 

Was sind die Aufgaben eines ITU-Rapporteurs, und worum ging es in den Arbeitsgruppen?

W. Balzer: Ein Rapporteur hat die Aufgabe, Sitzungen vorzubereiten und zu leiten, in denen dann inhaltliche Arbeit an Themen (“work items”) geleistet wird, die von Mitgliedern der Study Group 12 eingebracht werden. Ergebnis eines Work Items ist normalerweise ein Standardisierungsdokument, also eine Recommendation, ein Technical Report oder ein Supplement.

 

Die Question 17 (kurz: Q17) befaßt sich mit Standards, um Leistungsindikatoren für paketbasierte Netze und andere Netzwerktechnologien und entsprechende Messmethoden zu definieren. Solche Indikatoren sind essentiell, wenn es um die Verbesserung der Netze und Technologien geht; sie funktionieren quasi wie ein Kompaß, der en Weg zu besserer Qualität weist. Insofern arbeitet diese Question in einem zentralen Gebiet der technischen Evolution von Mobilfunk- wie auch von Festnetzen.

 

Das Gebiet der Question 20 (hier teile ich mir die Rolle mit zwei Kollegen) ist die Dienstqualität (QoS) und die Erlebnisqualität (QoE) von digitalen Finanzdienstleistungen (digital financial services, DFS), definiert als Geldtransfers über Mobilfunknetze, bei der es nicht zwingend ein klassisches “Konto” gibt, sondern die Guthaben quasi direkt auf dem Endgerät existieren.

 

Diese Question ist relativ “jung”; letztendlich knüpft sie an Arbeiten an, die in einer ITU-T Focus Group begonnen wurden, in der auch die Weltbank und, als Sponsor, die Bill & Melinda Gates Foundation sind. Diese Arbeit wurde dann in der “Financial Inclusion Global Initiative (FIGI)” in größerem Stil fortgesetzt. In dieser Zeit haben wir im Auftrag der ITU einige Projekte durchgeführt, aus der dann zunächst FIGI Reports und später Recommendations (G.1033, P.1502, P.1502) wurden.

 

Worin besteht die Verbindung einer UN-Organisation, die sich mit technischen Aspekten der Telekommunikation beschäftigt, und  digitalen Finanzdienstleistungen?

W. Balzer: Auf den ersten Blick mag diese Verknüpfung zum Thema “Finanzdienste” etwas exotisch aussehen; im Grunde ist die Sache aber einfach. DFS basiert ganz wesentlich auf Mobilfunknetzen; insofern gibt es hier eine ganz direkte Verbindung zu anderen mobilfunk-bezogenen Qualitätsthemen. Entsprechend gibt es in der Q20 auch intensives Interesse seitens nationaler Regulierungsbehörden, wobei es speziell um praxisnahe Vorgaben für Mindest-Leistungsvorgaben geht, um reibungsloses Funktionieren solcher mobilfunkbasierter Finanzdienstleistungen zu gewährleisten – was natürlich wieder auf die Kompetenz und Expertise von NET CHECK im Bereich Mobilfunkmessungen verweist.

 

Über die Arbeit an aktuellen Themen hinaus – etwa an einem Work Item zu Mapping- und Visualisierungsstrategien für die Bewertung von Konnektivität und QoS – haben wir auch das im Blick, was morgen oder übermorgen relevant zu werden verspricht. So haben wir einen Beitrag vorgestellt, der Metriken und Methoden definiert, um die Eignung von Mobilfunknetzen für das autonome Fahren auszudrücken.

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